Pringsheim, Wikipedia und Kattowitz

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Mitte der 1970er Jahre habe ich an der Sophia-Universität Tokyo deutsche Literatur studiert und mehrere Werke von Thomas Mann, dem Thema meiner Diplomarbeit gelesen. Dazu gehörten Tonio Kröger, der Tod in Venedig, und der Zauberberg. Dabei entdeckte ich, dass Manns Frau Katia hieß. Zu dieser Zeit kaufte ich Katias Buch „Meine ungeschriebenen Memoiren“.

Das Amateurorchester, dem ich als berufstätiger Erwachsener beitrat, führte in den 1980er Jahren über mehrere Jahre hinweg Gustav Mahlers Sinfonien in ihrer Gesamtheit auf. Alle wurden von Kazuo Yamada dirigiert, der 1912 geboren wurde und in den 1930er Jahren bei Klaus Pringsheim an der Kaiserlichen Musikakademie in Tokyo studiert hatte. Pringsheim war ein in Deutschland geborener Musiker, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts direkt von Mahler ausgebildet worden war. Außerdem war seine Zwillingsschwester Katia Mann.

Gruppenbild „Kinderfasching“ (1888) von Friedrich August Kaulbach, das die Kinder der Familie Pringsheim in München zeigt

Mein derzeitiges Orchester wird bei seinem Konzert im Dezember 2024 ein Werk von Klaus Pringsheim aufführen. Es ist das Konzert für Orchester, das er 1934 in Japan komponierte. Um mehr über den Komponisten herauszufinden, habe ich mir den Wikipedia-Artikel über ihn angesehen. Der Artikel war bereits in der japanischen Version vorhanden, aber der Inhalt war dürftig, also habe ich ihn ergänzt. Es gab auch einen Artikel über Katia, aber nicht über ihren Vater Alfred, also habe ich ihn aus der englischen Version übersetzt. Ich wollte wissen, in was für einer Familie die Zwillingsgeschwister aufwuchsen. Als Quelle für die Artikel war Katias Buch „Meine ungeschriebenen Memoiren“ hilfreich.

Alfred Pringsheim war Professor für Mathematik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und so wuchsen die Kinder in München auf. Er besaß ein schönes Haus, in dem viele kulturell bedeutsame Persönlichkeiten verkehrten, darunter auch Gustav Mahler. Alfred war nicht in München, sondern in einer schlesischen Stadt geboren. Alfreds Vater, Rudolf Pringsheim, hatte sein Vermögen im Eisenbahn- und Bergbaugeschäft in Schlesien gemacht. Nun habe ich also den Wikipedia-Artikel über Rudolf gesucht und aus der deutschen Version übersetzt, da er in der englischen Version nicht vorhanden war.

Beim Übersetzen sah ich verschiedene Artikel über Eisenbahnen und Bergwerke in der schlesischen Region, die miteinander verbunden waren. Und zu meiner Überraschung tauchte der Name Kattowitz immer wieder als Zentrum der Region auf: Das „Katowice“, das ich bei der Wikimania im August besucht hatte, das Volkslied über den Bergmann „Karlik“, das ich im WikiOrchestra gespielt hatte, die Zugfahrt von Krakau nach Kattowitz – all das war mit Rudolf Pringsheim verbunden. Als ich mich an die Sehenswürdigkeiten erinnerte, die ich dort sah, war ich tief bewegt von der magischen Verbindung, die Wikipedia für mich hergestellt hatte.

Eine Fotocollage, die charakteristische Gebäude in Kattowitz zeigt

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