
Immer, wenn wir bei der Wikimedia Foundation mit der Jahresplanung für das kommende Jahr beginnen, erstellen wir eine Liste von Trends, von denen wir glauben, dass sie den Kontext, in dem die Wikimedia-Bewegung und -Projekte funktionieren, erheblich beeinflussen werden. Dabei stellen wir bestimmte Online-Trends heraus, die für unsere Mission am relevantesten sind, etwa Veränderungen in der Art und Weise, wie und wo Menschen online Informationen suchen und beitragen, der Anstieg von Falschinformationen und Desinformation in Online-Räumen und die sich weiterentwickelnde Regulierung von Online-Informationsanbietern. Diese Analyse ermöglicht es uns, unsere Planung mit der Leitfrage zu beginnen: „Was braucht die Welt jetzt von Wikimedia?“
Diese Frage treibt Gespräche mit dem Movement und innerhalb des Movements an. Wie in den vergangenen Jahren machen die folgenden Trends deutlich, wie stark sich unser aktuelles technisches, geopolitisches und soziales Umfeld von den Gründungstagen der Wikipedia unterscheidet und wie wir uns weiter anpassen und weiterentwickeln müssen. All diese Trends werden in unseren Jahresplan sowie in Strategien einfließen, die unsere Zukunft beeinflussen – von einem besseren Schutz von Wikimedianer:innen durch geeignete technische Werkzeuge über Vertrauens- und Sicherheitsmaßnahmen bis hin zu Experimenten, die Wikimedia-Inhalte auf neue Arten ans Publikum bringen.
Veränderungen der Art und Weise, wie und wo Menschen Informationen erhalten und beitragen
Das Vertrauen in Online-Informationen nimmt ab und der gesellschaftliche Konsens darüber, welche Informationen wahr und vertrauenswürdig sind, löst sich zunehmend auf. Letztes Jahr haben wir festgestellt, dass Verbraucher:innen online mit Informationen überflutet werden und zunehmend wünschen, dass diese Informationen von vertrauenswürdigen Personen zusammengefasst werden. Mit der Einführung von KI-Übersichten durch Google und anderer KI-Suchprodukte werden viele Menschen, die im Internet nach Informationen suchen, nun von KI unterstützt. Trotzdem hat die KI-gestützte Suche andere Möglichkeiten, wie Menschen Informationen finden (z. B. über traditionelle Suchmaschinen oder in sozialen Medien), noch nicht überholt. Wir sehen jedoch, dass der Trend, sich auf vertrauenswürdige Personen zu verlassen, den wir schon letztes Jahr beobachtet haben, stärker geworden ist: Menschen sind zunehmend skeptisch gegenüber traditionellen Autoritäten im Wissensbereich wie staatlichen Institutionen und Medien und verlassen sich stattdessen auf Persönlichkeiten im Internet, die an Einfluss gewinnen. Persönlichkeiten (z. B. Podcaster oder Vlogger) in sozialen Medien sind jetzt ein zentraler Faktor bei wichtigen Ereignissen weltweit (wie Wahlen). Durch die Suche nach Persönlichkeiten, die ihnen ideologisch und demographisch nahestehen, enden Menschen zunehmend in isolierten Filterblasen, die den gesellschaftlichen Konsens über Fakten auflösen.
Menschen sind gerne in Online-Umgebungen aktiv, die lohnende Verbindungen bieten. Als Website, die auf die Beiträge und die Zeit von Hunderttausenden von Wikimedianer:innen angewiesen ist, verfolgen wir aufmerksam die Trends, wo und wie Menschen online beitragen. Letztes Jahr haben wir hervorgehoben, dass Menschen heutzutage viele lohnende und wirkungsvolle Möglichkeiten haben, Wissen online zu verbreiten. In diesem Jahr beobachten wir, dass Menschen weltweit viel in kleineren interessenbasierten Gruppen (auf Plattformen wie Facebook, WhatsApp, Reddit und Discord) aktiv sind und ihr Wissen und ihre Fachkenntnis teilen. Diese Orte erfreuen sich weltweit wachsender Beliebtheit und Menschen fühlen sich dort wohler, beizutragen, als in den allgemeinen sozialen Kanälen. Ein engagierter Kern von Freiwilligen unterhält diese Communitys und übernimmt wichtige Aktivitäten wie Moderation und Mentoring für Neulinge.
Vor allem für junge Menschen sind Videospiele zu einem aktiven Raum geworden, der mit den sozialen Medien konkurriert. Auf Plattformen wie Discord und Twitch sind Gaming-Communitys entstanden, auf denen Menschen aktiv mitmachen und zusammenarbeiten – sie spielen nicht nur, sondern organisieren Veranstaltungen oder übernehmen Moderationstätigkeiten. Plattformen nutzen Spiele, um das User-Engagement für unabhängige Produkte zu steigern, wie der erfolgreiche und wachsende Spiele-Bereich der New York Times zeigt.
Menschen haben begrenzte Zeit für Online-Aktivitäten, und wir vermuten, dass eine Ursache für den Rückgang der Anzahl neuer Menschen, die sich als Benutzer:innen für Wikimedia-Projekte anmelden – eine Entwicklung, die 2020–2021 begann und bis heute weitergeht –, mit der wachsenden Popularität und Attraktivität der Teilnahme an einigen dieser anderen Online-Räume zusammenhängen könnte.
Veränderungen der Art und Weise, wie Informationen online verbreitet und reguliert werden
Digitale Informationen, die von Menschen erstellt und geprüft werden, sind das wertvollste Gut im Wettkampf zwischen den KI-Tech-Plattformen. Letztes Jahr haben wir vorhergesagt, dass KI zur Erstellung und Verbreitung von Desinformation im Internet eingesetzt würde. Dieses Jahr sehen wir, dass minderwertige KI-Inhalte nicht nur generiert werden, um falsche Informationen zu verbreiten, sondern als Methode dienen, um schnell reich zu werden, und dadurch das Internet überfluten. Hochwertige Informationen, die zuverlässig von Menschen erstellt werden, sind zu einem schwindenden und wertvollen Gut geworden, das Technologieplattformen eilig aus dem Internet abgreifen, um es durch neue Sucherfahrungen (sowohl KI als auch traditionelle Suche) wieder auf ihren Plattformen zu verteilen. Anbieter von durch Menschen erstellten Online-Inhalten in verschiedenen Branchen (etwa viele der wichtigsten Nachrichten- und Medienunternehmen weltweit) reagieren darauf, indem sie mit KI-Unternehmen über Inhaltslizenzverträge verhandeln und Paywalls einrichten, um sich vor missbräuchlicher Wiederverwendung zu schützen. Diese Beschränkungen verringern die Verfügbarkeit kostenloser, qualitativ hochwertiger Informationen für die breite Öffentlichkeit.
Das Ringen um neutrale und überprüfbare Informationen bedroht den Zugang zu Wissensprojekten und deren Mitwirkenden. Im vergangenen Jahr haben wir hervorgehoben, dass Regulierung weltweit je nach Rechtssystem unterschiedliche Herausforderungen und Möglichkeiten für Online-Projekte zum Informationsaustausch bietet. In diesem Jahr haben die Herausforderungen beim Online-Austausch von verifizierten, neutralen Informationen deutlich zugenommen. Der gesellschaftliche Konsens über die Bedeutung von Begriffen wie „Tatsachen“ und „Neutralität“ löst sich zunehmend auf und wird politisiert. Lobbygruppen, Influencer und einige Regierungen untergraben die Glaubwürdigkeit von Online-Quellen, mit denen sie nicht einverstanden sind. Andere versuchen auch, die Informationsquellen durch schikanöse Klagen zum Schweigen zu bringen.
Weltweit werden mehr und mehr Gesetze erlassen, die Online-Technologieplattformen regulieren sollen, dabei aber keinen Raum für gemeinnützige Plattformen lassen, die im öffentlichen Interesse agieren, z. B. Open-Science-Initiativen, Wissen aus Crowdsourcing sowie Kulturerbe-Repositorien und Online-Archive. Undifferenzierte Regulierung des Internets kann die Privatsphäre von Beitragenden und des Publikums dieser Plattformen bedrohen und die Moderationspraktiken der Community gefährden. Zum Beispiel können Gesetze, die Plattformen zwingen, die Identität von Besuchenden oder Mitwirkenden zu überprüfen und nachzuverfolgen, die Privatsphäre und Sicherheit der Menschen beim Zugriff auf oder bei der Verbreitung von Informationen gefährden. Regulierungen, die von Plattformen verlangen, dass sie sofort Inhalte entfernen, die als Fehlinformationen gekennzeichnet sind, stehen integrierten Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung von Fehlinformation auf Plattformen entgegen, die durch gemeinschaftlichen Konsens funktionieren und Genauigkeit über Gewinn stellen.
Wie es weitergeht und wie du mitreden kannst
Wie bei unseren früheren Community-Updates zu Trends ist dies keine allumfassende Liste der Bedrohungen und Chancen, mit denen unser Movement konfrontiert ist, sondern eher eine Vorlage, um zu diskutieren und uns darauf zu verständigen, wie wir darauf eingehen können, was die Welt jetzt von uns braucht, wenn wir für das nächste Geschäftsjahr planen. Anfang dieses Jahres hat Selena Deckelmann, Chief Product & Technology Officer, unsere globale Community eingeladen, ihr mitzuteilen, welche Trends und Veränderungen für sie am wichtigsten sind – bitte setzt die Diskussion auf dieser Diskussionsseite fort. In den kommenden Monaten wird die Wikimedia Foundation ihren Entwurf des Jahresplans veröffentlichen, um darzulegen, welche Schritte wir für das kommende Jahr als Antwort auf diese Trends planen. Einige sind bereits im Gange: Um dem Rückgang neuer Beitragender entgegenzuwirken, fügen wir beispielsweise neue Arten von „Edit-Checks“ hinzu, intelligente Workflows, die konstruktive mobile Bearbeitungen für Neulinge einfach machen und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie auch in Zukunft wieder beitragen. Wir freuen uns auf weitere Community-Gespräche darüber, wie wir unsere freien Wissensprojekte in einer sich verändernden sozio-technischen Landschaft schützen und weiterentwickeln können.

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