19. Dezember
Für mich ist „Wissensgerechtigkeit“ ein Idealzustand, ein Ziel, etwas, das wir verfolgen und das uns motiviert Dinge voranzubringen, die die Teilnahme und Teilhabe von mehr Menschen zu Wikimedia ermöglicht. Ich denke, wir alle haben etwas beizutragen, Wissen, das von unseren Vorfahren geerbt wurde und das auf Handlung, Sein und vorort Leben basiert. Wir treffen dabei auf unterschiedlichste Herausforderungen und Probleme und finden unterschiedliche Lösungen, je nachdem wie wir uns organisiert und wo wir leben.
Ich leite derzeit ein sehr interessantes Projekt mit indigenen Frauen, die indigene Sprachen sprechen, und ein Interesse daran haben mit Bildung radikale Veränderungen in ihren Gruppen vorzunehmen. Wir haben Workshops organisiert, in denen wir die Wikiakua’pa-Wikipedia bearbeitet haben (so heißt das Wikipedia-Inkubatorprojekt in der Sprache Wayuunaiki), wir haben auch Experten für verschiedene Themen zu digitaler Technik mitgenommen. Wikipedia war also das Mittel, das Ziel und auch das Projekt, das uns half, darüber zu sprechen, wer wir sind, wie wir Wissen zu teilen, wie wir auch Stimmen und Botschaften veröffentlichen können, die bisher nicht gehört wurden. Ebenso half uns Wikipedia das Digitale als einen neuen Raum zu betrachten, um Wissen zu teilen, für soziale Teilhabe – und nicht mehr am „sozialen Rand“ zu stehen.
Im Zusammenhang mit den sozialen Herausforderungen dieses Projekts stehen wir vor der Frage, wie Wissen im Westen vermittelt wurde, wobei das Schreiben als Mittel zur Dokumentation und zum Austausch von Wissen vorherrscht; bei indigenen Gemeinschaften ist die mündliche Erzählweise jedoch die Art und Weise, wie Wissen vermittelt und konstruiert wird. Ein weiterer Aspekt, den wir festgestellt haben, ist die soziale Diskriminierung in Bezug auf die Indigenen, zumindest in Kolumbien, dies ist ein schwer zu behandelndes Thema, das für die Institutionen und den Staat nicht von Bedeutung war. Es gibt auch „Mythen“ über indigene Sprachen, zum Beispiel, obwohl Kolumbien das ein Land mit einer sehr großen sprachlichen Vielfalt in Lateinamerika ist, werden alle indigenen Sprachen nicht mehr verwendet, weil gesagt wird, dass sie veraltet sind, dass sie nicht geschrieben werden können oder dass sie nicht im Rahmen von neuen Technologien verwendet werden können. Darüber hinaus gibt es in den Communitys einige Bedürfnisse, die nachvollziehbarerweise dringender sind als die Bearbeitung von Wikipedia-Artikeln, z.B. Wasser. La Guajira, wo wir Workshops mit Wayuu-Frauen abgehalten haben, gibt es an vielen Orten kein Trinkwasser, es gibt Armut und es ist auch ein Grenzort, also müssen wir die verschiedenen Dynamik verstehen und uns an die Räume und die Verfügbarkeit der Communitys anpassen.
Es gibt auch technische Herausforderunge, wie z.B. Infrastruktur, die Internet-Verbindungsqualität in den Communiteis, die technische Komplexität einiger Projekte von Wikimedia, die nicht so freundlich mit neue Nutzerinnen und Nutzer sind. Die Anzahl der Prozesse, die erforderlich sind, um tatsächlich ein Wikipedia-Artikel schreiben zu können oder einen Beitrag zur Wikipedia zu leisten, sind sehr komplex. Das Format, das in Wikipedia vorherrscht –Schreiben bzw. Schriftsprache – aber auch die Problematiken bestimmter Richtlinien, wie natürlich Quellen haben uns sehr zum Nachdenken gebracht. Es wurde einfach bisher nicht viel über indigene Communities aus indigener Hand geschrieben!
Wir haben auch sprachliche Herausforderungen: Die indigenen Sprachen haben keine standardisierten Schriftsysteme und viele der Buchstaben, die in den Sprachen verwendet werden, gibt es nicht auf den hiesigen Computer-Tastaturen. Hier finden tatsächlich Prozesse der Neologisierung und auch Interpretationen im diesem Bereich der sozialen Interaktion – dem Internet – statt.
Ich denke, es ist sehr wichtig, wir hier aufgeschrieben, mit den indigenen Communities zusammenzuarbeiten und darüber nachzudenken, wie wir teilhaben und Wissen über Wikipedia teilen. Außerdem müssen wir viele der Aspekte, Regeln, aber auch die Art und Weise, wie wir Wissen verstehen, und vor allem, wie wir es überprüfen haben, überdenken. Bisher haben nur wenige Menschen an der Wissensproduktion in der Wikipedia teilgenommen, aber viele Ideen durchgesetzt. Jetzt besteht die Aufgabe darin, die bisherigen Prozesse zu überdenken, Ideen auszuwerten, und Räume für die Teilhabe verschiedener Gruppen in verschiedenen Formaten zu entwickeln – und dabei die Interessen und besonderen Formen der sozialen Interaktion zu respektieren.
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