Wir begrüßen die neue Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation

Das Board of Trustees der Wikimedia Foundation hat Maryana Iskander zur neuen Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation ernannt. Maryana ist seit 2013 Geschäftsführerin der südafrikanischen Non-Profit-Organisation Harambee Youth Employment Accelerator, die afrikanische Lösungen für die globale Herausforderung der Jugendarbeitslosigkeit erarbeitet. Davor war Maryana sechs Jahre lang Chief Operating Officer der Planned Parenthood Federation of America, einer Freiwilligenbewegung, die sich für die Gesundheitsversorgung von Frauen einsetzt. Sie hat außerdem Erfahrungen im akademischen Bereich, wo sie als Beraterin des Präsidenten der Rice University arbeitete, einer internationalen Universität mit Sitz in den USA. In ihrer Karriere zielt sie auf das Einreißen systemimmanenter Barrieren, das Ermöglichen kollaborativer Lösungsfindungen sowie die Stärkung von Communitys ab. Sie hat komplexe Organisationen geleitet, die sich durch geteilte Entscheidungsfindungen auszeichnen.

Maryana Iskander
Maryana Iskander

Es folgt ein Brief von Maryana:

„Als ich die Stellenanzeige für die Geschäftsführung der Wikimedia Foundation gelesen habe, stach mir der auf den ersten Blick simple Satz ins Auge: ‚Wissen gehört uns allen‘. Ist das wirklich wahr? Es ist eine bemerkenswerte Aussage. In einer Welt mit zunehmender Ungleichheit und Polarisierung, in der kaum etwas allen gehört, sollte die Idee, dass Wissen uns allen gehören muss, die allgemeine Aufmerksamkeit und Vorstellungskraft wecken. Auf jeden Fall war das mein Eindruck.

Meine eigene Geschichte ist von einer verwandten Idee geprägt, nämlich dem Glauben daran, dass Wissen uns befreien kann. Kurz nach meiner Geburt in Kairo, Ägypten, wanderte meine Familie in die USA aus. Während meiner Studienzeit befasste ich mich bevorzugt mit einigen der aufwühlendsten Themen, die unsere Gesellschaft zu bieten hat: Frauenrechten, Bürgerrechten und den Rechten von Gefangenen. Um nicht nur gegen Institutionen zu protestieren, sondern sie auch aktiv zu verändern, zog es mich dabei rasch in Führungspositionen. Die Möglichkeit, nachhaltig Veränderung anzustoßen und Einfluss auszuüben, liegt nach meiner Erfahrung oft ‚in der Mitte‘: zwischen Forschung und Lehre an der Rice University, zwischen dem Anbieten von und dem politischen Einsatz für Gesundheitsversorgung bei Planned Parenthood und zwischen öffentlichem und privatem Sektor bei Harambee Youth Employment Accelerator. In meiner Zeit bei all diesen Einrichtungen habe ich von vielen und vielfältigen Interessenvertreter:innen gelernt, darunter auch Freiwilligen, und mich in der Leitungsebene dafür eingesetzt, oft ungehörten Stimmen Gehör zu verschaffen.

2012 folgte ich meinem Herzen nach Südafrika, einem Land mit einer komplizierten Gesellschaft, die noch immer das Erbe der tiefgreifende Ungleichheit der Apartheid mit sich schleppt, trotz großer Potenziale und Hoffnungen innerhalb der Gemeinschaften, und mit einer der höchsten Jugendarbeitslosigkeitsraten der Welt. Dort war gerade eine neue Organisation gegründet worden, die diese Chancenungleichheit bekämpfen wollte. Ich arbeitete für diese zunächst als Freiwillige, dann für viele Jahre als Geschäftsführerin. Meine Aufgabe war es, eine gemeinsame Vertrauensbasis für relevante Interessengruppen in der Gesellschaft (öffentliche Hand, Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft, junge Menschen) zu schaffen, um in Zusammenarbeit eine der größten Herausforderungen unserer Zeit in Angriff zu nehmen. Dazu haben wir eine leicht zugängliche, mehrkanalige Plattform genutzt, die benachteiligten Gemeinschaften mit technologischen Lösungen zur Seite steht. Unsere größten Erfolge basierten auf Vernetzung, Partnerschaften und dem festen Glauben an das Potenzial junger Menschen. Nach nunmehr zehn Jahren in dieser Rolle denke ich, dass es an der Zeit ist, neue Menschen ans Ruder zu lassen.

Warum möchte ich also jetzt zur Wikimedia Foundation wechseln? Dafür gibt es mehrere Gründe. (1) Die Wikimedia-Projekte bilden die Basis der möglicherweise bedeutendsten gemeinschaftlichen Infrastruktur der modernen Welt. Ich möchte meine Zeit und Erfahrungen dieser Vision widmen. Was ist nötig, damit wir uns eine Welt, in der jeder einzelne Mensch frei an der Summe allen Wissens teilhaben kann, nicht mehr nur vorstellen müssen, sondern tatsächlich erschaffen können? (2) Ich habe selbst erlebt, dass Strukturen geteilter Entscheidungsfindung meistens effizienter sind. Deshalb möchte ich diese innerhalb unseres Movement noch stärker machen. (3) Ich arbeite bevorzugt mit Menschen, die sich durch Integrität und Einsatz auszeichnen und die mit Humor und positiver Energie dabei sind. Schon jetzt sehe ich, dass ich hier gleichgesinnte Kolleg:innen aus der ganzen Welt treffen werde.

Meine früheren Kolleg:innen werden meine feste Überzeugung bestätigen, dass Fortschritt aus Kultur erwächst: einer Kultur, die gekennzeichnet ist durch Verantwortung, Vielfalt, Inklusivität, eine werteorientierte Arbeitsweise, Bescheidenheit in der Zusammenarbeit mit anderen und die pausenlose Anstrengung, auf die richtige Weise das Richtige zu tun.

Während des Bewerbungsprozesses, habe ich eine führende amerikanische Akademikerin namens Rebecca getroffen. Sie erzählte mir von ihrem Grundschullehrer, der die Schülerinnen und Schüler fragte, wer von ihnen keine Enzyklopädie zuhause stehen habe. Sie war eine dieser Schülerinnen, und die Frage machte ihr zum ersten Mal in ihrem Leben deutlich, dass sie möglicherweise nicht den Zugang zu den gleichen Materialien für ihre Bildung hatte wie andere Kinder. Dank unserer Community werden sich solche Fragen für immer erübrigen, wenn wir unsere Vision verwirklichen. Als ich nach Südafrika zurückkehrte, traf ich eine andere Rebecca. Diese junge Frau wuchs in einer ländlichen Gegend auf, in der es schon schwer genug war, das Mobilfunknetz zu nutzen, vom Internet ganz zu schweigen. Auch sie konnte nicht auf alle Ressourcen zugreifen, die sie benötigte. Ich denke, dass jede Rebecca sich in unserer Vision auf die eine oder andere Weise wiederfinden kann und von unserer Strategie für 2030 profitieren wird.

Was waren meine bisherigen Erfahrungen mit dem Wikiversum?

Abgesehen davon, dass ich Wikipedia lese und bewundere, hatte ich in der Vergangenheit zwei Begegnungen mit Menschen hinter dem Projekt.

2019 traf ich auf einer Konferenz einen freiwilligen Wikipedia-Autor. Im Jahr darauf kontaktierte er mich und erzählte mir, dass es Bestrebungen gab, mehr Artikel über bedeutende Frauen zu erstellen, und er einen Artikel über mich schreiben möchte. Er setzte den Plan zusammen mit einem weiteren Mitstreiter aus dem Projekt Women in Red in die Tat um.

Anlässlich des Weltlehrertages 2019 beteiligte sich meine derzeitige Organisation, Harambee Youth Employment Accelerator, an einem AfroCuration-Event, das von WikiAfrica Education organisiert wurde. Dabei ging es um das Erstellen neuer Inhalte auf Wikipedia zu den Themen Demokratie, Freiheit und Verfassungsgebung. Das Ziel war, Schüler:innen und Lehrkräfte beim Schreiben von Artikeln in lokalen Sprachen über Persönlichkeiten zu unterstützen, die an Südafrikas Verfassung mitgewirkt haben.

Ich freue mich, nun auch selbst auf verschiedene Weise zum Movement beitragen zu können.

Was möchte ich von euch lernen?

Zuallererst werde ich zuhören und versuchen, zu verstehen.

Schon jetzt, bevor ich im Januar 2022 offiziell zur Wikimedia Foundation komme, freue ich mich über Input von allen, die gerne direkt Kontakt mit mir aufnehmen möchten. In naher Zukunft werde ich Details zu meiner geplanten Listening Tour veröffentlichen, bei der ich vor meinem Einstand Online- und Offline-Events mit den Communitys, den Angestellten und anderen Interessengruppen abhalten werde.

Ich weiß, dass es viele Communitys mit vielen unterschiedlichen Meinungen gibt. Natürlich werde ich zuerst nach eurer Meinung fragen: über unsere Vision, Mission und Strategie, unsere Außenwirkung und unsere Partnerschaften sowie über unsere aktuellen und zukünftigen Pläne.

Aber ich werde auch nach Daten fragen. Ich bin neugierig, was ihr von den Bereichen ‚in der Mitte‘ haltet und ob ihr Erfahrungen damit habt.

Und schließlich möchte ich erfahren, was euch persönlich motiviert, an euren Projekten zu arbeiten und euch in euren Communitys zu engagieren.Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt, meine Nachricht zu lesen. Ich freue mich, von euch zu hören.“